Ich vergewisserte mich, dass in keinem der anderen Räume sich Schüler oder Lehrer befanden, ehe ich mich zu der großen Bühne schlich. Vor dieser war ein kleiner Bereich für die Musiker eingerichtet worden, so dass sich dort auch ein Klavier problemlos hatte aufstellen lassen. Ich sah ein weiteres Mal unsicher umher ehe mein Blick auf die Notenblätter in meinen Händen glitt. Da derzeit kein Unterricht war, hatte ich darauf verzichtet meine Uniform anzuziehen. Statt desse steckte mein Oberkörper in einem hellrosanen Kapuzenpullover, auf dessen Vorderseite eine weiße Rose aufgestickt war. Dazu trug ich eine kurze schwarze Hose. Von weitem hätte man mich eindeutig für ein Mädchen halte können. Einen Moment atmete ich durch, ehe ich mich an das Klavier setzte und prüfte ob es gestimmt war. Als dies sicher war, breitete ich die Notenblätter auf dem Ständer aus und begann zu spielen. Dabei schien ich vollkommen in der Musik zu versinken.

Nachdem ich einige Stücke,welche ich selber geschrieben hatte, durchgespielt hatte schauderte es mich. Ich konnte sehen, dass es draußen wohl schon dunkler wurde Oh weh..ich sollte lieber rasch auf mein Zimmer.. Hastig sammelte ich meine Schriftstücke ein und stolperte von der Bühne. Mein Herz raste. Wenn mich nun einer erwischte würde es sicher großen Ärger geben! Ich hastete so schnell ich konnte über den Gang zwischen den Sitzreihen und aus dem Raum. So schnell meine Hufe mich trugen machte ich mich auf den Weg in mein Zimmer.

>> Unterkunft der Herbivore/ Jungenbereich/Zimmer1

Zusammengekauert saß ich am rechten Ende der Bühne, die Arme um mich geschlungen, das Gesicht in die Knie vergraben. Es war dunkel wo ich hockte, nur etwas Licht erhellte die Bühne, auf der ich bis vor wenigen Minuten noch gestanden und für mich selbst gesungen hatte. Dann hatte mich eine Panikattacke heimgesucht, ich wusste meistens nicht einmal was sie auslöste, und ich war hierher gestolper, da mir das Licht plötzlich zu grell erschien. Die Stille wurde nur von meinem keuchenden, viel zu schnellen Atem durchbrochen, der meinen ganzen Körper zu bewegen schien, obwohl ich mich nicht wirklich rührte. Ich hatte die Augen fest zugepresst und mein Gesichtsfell war nass vor Tränen. Ich hatte das grausame Gefühl zu ersticken, als würde die Welt auf mich eindrücken, alles wirkte so unreal, so verzerrt. Meine großen Ohren waren flach an meinen Hinterkopf gepresst, in ihnen rauschte es unangenehm. Mein Herz raste, mir war übel und es war einfach alles zu viel. Ich fühlte mich als müsste ich sterben, aber ich wollte nicht sterben.

Wie immer hatte ich mich zum Essen hierher verzogen. Die Cafeteria war mir einfach zu voll. Als ich allerdings jemanden singen hörte, war ich aus der Kleidungskammer heraus gekommen, leider hatte der Gesang wieder aufgehört. Ein wenig verwirrt betrat ich die Bühne und sah mich unsicher um. Hier war doch vor Kurzem noch jemand... oder? Eine Weile musste ich mich umsehen, ehe ich lauschte. Es war ein keuchender, schneller Atem zu hören, und dann endlich fand ich den Ursprung. Am rechten Ende der Bühne, die Arme um sich geschlungen und das Gesicht in den Knien vergraben, saß jemand, die Ohren eng angelegt. Es war nicht so hell in der Ecke, aber ich konnte ein Geweih erkennen. Vorsichtig ging ich auf ihn (Antora Shika) zu. "H-hey! Ist... i-ist alles in Ordnung? Es ist alles gut", brachte ich hervor, kurz bevor ich neben ihm zum stehen kam.

Ich zuckte schwach zusammen, als eine Stimme an meine zurück gelegten Ohren dran, selbst wenn ich sie gut gekannt hätte, hätte ich sie gerade nicht erkannt, es fiel mir schon schwer zu verstehen was die Stimme sagte. Wenn das ein Raubtier war, war ich sicher tot. Ich vergaß in meiner Panik die Schulregeln und, dass kaum jemand so dumm sein würde einen Pflanzenfresser mitten in der Schule zu verschlingen. Ein unterdrücktes, ersticktes Wimmern entkam mir, während ich versuchte die Kraft und den Atem aufzubringen etwas zu sagen. G...geh weg.

Natürlich wollte er mich weg schicken, ich konnte es durchaus verstehen, auch ich würde nicht wollen, dass irgendjemand mich so sah. Auch ich hätte mich weg geschickt, wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre. Doch anstatt weg zu gehen, ließ ich mich neben ihm auf die Knie sinken. "Ich werd jetzt nicht einfach gehen. Nicht, so lange es dir schlecht geht", antwortete ich dann und überlegte, wie ich ihm helfen konnte. Dann allerdings fiel mir auf, dass ich ihn bereits kannte, er war ja wie ich im Theaterclub, allerdings einer der Schauspieler. "Soll ich dir mal das neueste Kostüm für den Theaterclub zeigen? Das findest du sicher so cool wie ich", begann ich, in der Hoffnung, dass ihm vielleicht ein wenig Ablenkung helfen würde.

Wenn möglich zog ich meinen Körper noch enger zusammen und versuchte mein Möglichstes mich irgendwie wieder zu beruhigen. Was hatte mein Psychologe gesagt? Es konnte mir nichts passieren, ich würde nicht sterben und auch nicht ohnmächtig werden. Natürlich sagte er das immer wieder, doch es war schwer mich daran zu erinnern, wenn ich das Gefühl hatte zu ersticken. Ich hörte was die Stimme sagte, sie war nun noch näher gekommen und ich wollte nur alleine sein. Wenn die Person das Kostüm holen musste ließ sie mich vielleicht ein bisschen in Ruhe, also nickte ich kaum merklich, ohne mich sonst zu rühren.

Besorgt betrachtete ich ihn, hielt mich aber mühevoll zurück, ihn nicht anzufassen. Das wäre das Letzte, das ich bei einer Panikattacke wollen würde. "Also, ich hole mal das Kostüm", gab ich zurück, als ich sein Nicken sah. Das tat ich auch gleich, das Kostüm hatte ich schon sehr wenige Zeit später gefunden.
Kurz darauf betrat ich wieder die Bühne. Erneut ließ ich mich, allerdings mit etwas Abstand, bei ihm nieder. "Schau mal! Das hab ich heute fertig genäht", versuchte ich dann, ihn abzulenken. Es war ein schönes Kostüm für die nächste Show des Theaterclubs, allerdings mit ein paar kleinen, süßen Details. Die Größe dürfte ihm passen. Wenn ich ehrlich war, dann war er mir bereits vorher schon oft aufgefallen, ich fand ihn wirklich heiß. Und ich nähte alle Kostüme in etwa der Größe von Personen, die mir gut gefielen. Auch wenn ich nie genügend Mut hatte, diese anzusprechen.

Während die Person, wer auch immer es war, wieder weg ging, schaffte ich es langsam wieder ruhiger zu atmen, glücklicherweise hielten diese Attacken selten länger als ein paar Minuten an. Ich konnte also zumindest leicht den Kopf heben, als der Junge, die Stimme war nämlich männlich, wie ich langsam identifizierte, wieder zurück kam. Ich sah in dem halbdunkel und gegen das Licht hinter ihm kaum sein Gesicht, doch er schien schon in einer Art Kostüm zu stecken, jedenfalls hatte er spitze Flügel und schien keine Fledermaus zu sein, dafür war er zu groß. Meine Nase war noch etwas verstopft und ich schniefte leise, während ich versuchte mir mein Gesicht mit einem Ärmel abzuwischen, ohne zu zeigen wie sehr meine Hand zitterte. Du gehörst zum Kostümdepartment? Meine Stimme war rau und leise, immer noch etwas atemlos und vor allem unsicher. Es ist sehr schön. Für unsere nächste Aufführung, eindeutig, eigentlich freute ich mich schon sehr darauf, doch gerade fühlte ich mich einfach nur ängstlich und unsicher.

Noch immer sah ich ihn besorgt an. Immer wenn ich mich hierher zurück zog, wechselte ich zu meinem Kostüm, darin fühlte ich mich einfach am Wohlsten. "Brauchst du ein Taschentuch?", wollte ich dann von ihm wissen, als er so schniefte. Allerdings schien es langsam wirklich besser zu werden, er antwortete nun richtig.
Ein Grinsen legte sich auf meine Lippen. "Ganz genau. Ich bin Kashi. Und für die Kostüme verantwortlich. Jedes Nähe ich selbst von Hand. Wenn du willst, kannst du es mal anprobieren!", lächelte ich, erfreut über das Lob. Es war ein wenig schade, dass er mich nicht einmal kannte, aber ich war auch nicht wirklich auffällig.

Ich schüttelte leicht den Kopf, nein, es ging schon wieder, langsam öffneten sich meine Nasenlöcher wieder. Kashi... ich kenne dich ja gar nicht, tut mir leid, ich bin Antora. Doch kaum war meine Nase wieder frei traf mich ein eindeutiger Geruch: Fleischfresser. Ich zuckte zurück, als hätte Kashi nach mir geschlagen, und hatte mühe meinen Fluchtreflex zu unterdrücken. Du... du bist ein Fuchs. Ich wusste, dass es unhöflich war so zu reagieren, doch nach dem was mir passiert war... nein, ich wollte nicht daran denken, nie wieder, in meinen Träumen kam ich viel zu oft schon darauf zurück.

"Freut mich", gab ich mit einem Lächeln zurück. Es war nicht so leicht, manchmal stellte ich mir vor, wie es wäre, einfach zuzubeißen. Und Fleisch zu essen... Schon so lange hatte ich meine Instinkte unterdrückt und unter Kontrolle gehabt, sodass ich mit seinem Geruch recht gut klar kam. Mein Lächeln fiel aber und wurde durch einen enttäuschten Ausdruck ersetzt, als er zurück zuckte und mich als Fuchs, und damit als Fleischfresser, identifizierte.
"Ist das schlimm?", entgegnete ich, die Enttäuschung war auch in meiner Stimme zu hören. Meine Ohren hatte ich mittlerweile angelegt. "Ich kann auch gehen, wenn es dir lieber ist. Jetzt... Geht es dir ja besser."

Nun konnte ich Kashis Gesicht auch deutlich sehen, meine Augen hatten sich an den Lichtunterschied gewöhnt, und es tat mir leid, dass er nun so enttäuscht dreinsehen musste, er war nett zu mir gewesen, aber da war immer diese Angst, immer diese Nervosität, wenn ein Carnivor in meiner nähe war, es war mehr als nur mein Instinkt, der wirkte da auch kräftig mit, doch es waren auch schlechte Erfahrungen, die mich dazu veranlassten so zu reagieren. Ich konnte mich an Fleischfresser gewöhnen, das musste ich als Schauspieler im Theater Club ja, Toru zum Beispiel war ein Wolf, doch ich wurde nicht gerne plötzlich damit konfrontiert. Ich... Es tut mir leid. Es ist nicht deine Schuld. Ich drückte den Rücken an die Wand hinter mir und wandte den Blick lieber ab.

Ich konnte irgendwo verstehen, dass er so auf Fleischfresser wie mich reagierte. Es war jeden Tag schwer für uns, unsere Instinkte im Griff zu behalten. Manchmal war mein Bedürfnis nach Fleisch so groß, dass ich versuchte, alle anderen zu meiden. Dennoch hatte ich immer darauf verzichtet, es war fast zur Gewohnheit geworden.
Wie er senkte ich ebenfalls den Blick. "Schon okay", antwortete ich schließlich leise und überlegte. Ich wollte der Situation hier die Schwere nehmen. "Ich hab dich beim Schauspielen immer gesehen. Du... Du bist echt gut", versuchte ich, das Thema zu wechseln.

Ich verbarg das Gesicht wieder an meinen Knien und konnte förmlich spüren wie meine Kehle sich wieder zu zog und mir das Atmen erschwerte. Nicht nochmal, bitte, bitte nicht. Kashis Worte überraschten mich dann aber doch auch in meinem sich langsam wieder Panik nähernden Zustand. J...Ja? Findest du?

Ich war noch immer recht besorgt. Vor allem, als er sein Gesicht wieder in den Knien verbarg. Allerdings hakte er nach, solange er noch mit mir sprach, war vorerst alles gut. "Ja. Als Verantwortlicher für die Kostüme schaue ich euch öfter zu. Du bist immer raus gestochen und warst immer richtig gut", lächelte ich ihn dann ehrlich an.

Kashi war erfolgreich darin mich etwas von meiner herannahenden Attacke abzulenken, was wohl sehr gut war, denn schon eine war körperlich und geistig extrem auszehrend. Leicht fühlte ich bei dem Lob sogar meine Wangen warm werden. Es ist wirklich lieb, dass du das sagst.

Meine Wangen erröteten nun tatsächlich leicht. Wie oft hatte ich ihm eigentlich zugesehen und mir gewünscht, mit ihm zu sprechen? Allerdings hatte ich mich nie wirklich getraut, ihn anzusprechen, weil er gefühlt in einer völlig anderen Welt war als ich. "U-und da-das meine ich auch s-so", fügte ich dann wenig später hinzu, "e-eigentlich wollte ich d-dich schon immer mal ansprechen, aber ich h-hab mich nicht getraut..." Leicht kratzte ich mich am Kopf, hatte nun verlegen den Blick gesenkt.

Das überraschte mich nun doch genug, dass ich wieder den Kopf hob und Kashi nit großen, grünen Augen ansah. Wolltest du? Aber wieso? Mein Gesichtsfell war nun ziemlich verklebt von den salzigen Tränen die ich zuvor noch vergossen hatte, ich musste mir wirklich das Gesicht waschen.